Aber was sind überhaupt ‚Stolpersteine‘ und warum sollte man sie polieren?
Genau diese und weitere Fragen stellte sich der Kurs auch, als sie von diesem Projekt erfuhren. Ganz in der Nähe der Realschule Wickrath, auf der Sandstraße 22, war unsere erste Station und die direkte Erkenntnis der Kursteilnehmer war. Es sind keine großen Steine, über die man stolpern könnte, sondern bescheidene Hingucker, die in den Gehweg eingelassen sind. Es sind knapp zehn mal zehn Zentimeter große Betonsteine, auf die oben ein Messingschild aufgeschlagen wurde. In das Messingschild sind beispielsweise folgende Daten eingraviert:
„Hier wohnte
Johanna Harf
Jg 1911
Deportiert 1941
Riga…“
Es sind die Namen der Menschen, die in dem Haus bis zum Beginn des 2. Weltkrieges ein friedliches Leben führen konnten. Denn diese Gedenksteine sollen uns an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.
Jedes Jahr startet auch die Stadt Mönchengladbach mit vielen anderen Orten in Deutschland und Europa zum Gedenktag am 9. November eine ‚Putzaktion‘ dieser sogenannten Stolpersteine. Das weiche, goldfarbene, Metall aus Messing wird mit der Zeit von der Witterung schwarz und die Gravur unerkenntlich.
Daher muss es von Zeit zu Zeit mit einer speziellen Politur bearbeitet werden. Man muss schon mit einiger Kraft und Ausdauer arbeiten, sollte aber auch mit Sorgfalt vorgehen, um das Messing nicht verkratzen.
Warum startet diese Aktion zum 9. November?
Der 9. November ist der Jahrestag der sogenannten Reichspogromnacht. Die Nationalsozialisten hatten am 9. November 1938 zur Zerstörung jüdischer Geschäfte und Synagogen aufgerufen. In der folgenden Nacht brannten etliche Synagogen nieder, jüdische Läden wurden demoliert, Juden verschleppt und ermordet.
Erdacht hat die Stolpersteine der Kölner Künstler Gunter Demnig. Er wollte den Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten zu Nummern degradiert und ermordet wurden, ihren Namen und damit die Erinnerung an sie zurückgeben.
"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", so Demnig.
Trotz des Namens Stolpersteine geht es dem 1947 geborenen Demnig nicht um ein tatsächliches Stolpern. In einem Dokumentarfilm des TV-Senders Arte sagte der Künstler: "Man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen."
Vom Stolpern
Die Stolpersteine?
Nein, an ihnen stößt niemand den Fuß
Sie sind ebenerdig ins Pflaster gepflanzt
aber die Namen darauf und die Zeichen sind uns ins Gewissen gestanzt:
"geboren, deportiert, ermordet"
Und die Orte: Łódź, Minsk, Riga, Theresienstadt,
Auschwitz, Chelmno, Majdanek, Sobibor, Treblinka ..."
Wir suchen euch,
deren Namen in den Archiven und im Himmel geschrieben sind.
Wir begegnen euch an Orten der Angst und Verfolgung,
wir erkennen euch in euren Kindern und Enkeln.
Die Steine sprechen von euch,
jeden Tag.
Ihr seid nicht vergessen.
[Inge Grolle]
Quelle: Dieses Thema im Programm: Hamburg Journal | 28.06.2021 | 19:30 Uhr